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Forderungen anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung

WARUM NICHT GLEICH?! WIR WOLLEN JETZT INKLUSION!

Im Rahmen der Demo für Inklusion unter dem Motto: Warum nicht gleich?! Wir wollen jetzt Inklusion! am 3. Mai 2024 überreichen der ZsL Sachsen, die LAG Sachsen und die AG Selbstvertretung ihre gemeinsamen Forderungen für Inklusion an den Sächsischen Landtag.

Forderungspapier an den Sächsischen Landtag zum Herunterladen (PDF)

Die Ratifizierung des Übereinkommens der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-BRK) durch Deutschland jährt sich 2024 zum 15. Mal. Dennoch stellte der UN-Fachausschuss für die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-Fachausschuss) bei der letzten Staatenprüfung im August 2023 Deutschland kein gutes Zeugnis aus. Am 3. Oktober 2023 veröffentlichte der Ausschuss seine „Abschließenden Bemerkungen“ zu Deutschland.  Darin wird kein Artikel ausgelassen; Kritik und Hinweise finden sich auf allen Ebenen.

Anlässlich des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung und angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen erarbeiteten das Zentrum für selbstbestimmt Leben Sachsen e. V. (ZsL Sachsen e. V.), die Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e. V. (LAG SH Sachsen e. V.) und die Arbeitsgemeinschaft Selbstvertretung des Netzwerk Antidiskriminierung in Sachsen (NADIS) gemeinsame Forderungen auf Länderebene:

Teilhabe und eine umfassende Barrierefreiheit

Der Artikel 9 UN-BRK schreibt die Zugänglichkeit als unabhängiges Querschnittsthema fest, welches in jedem Lebensbereich berücksichtigt werden soll Die Vertragsstaaten müssen gewährleisten, dass der Zugang „zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen“ im vollen Umfang gegeben ist.

Kein anderes Handlungsfeld trägt so viel Teilhabepotenzial in sich, wie das der Mobilität. Zur Wahlfreiheit des Wohnortes, zur Teilhabe an kulturellen Angeboten, zum Besuch eines Arztes oder zum inklusiven Arbeitsplatz ist eine Infrastruktur nötig, die diese grundsätzlichen Rechte verbindet und somit zu einem selbstbestimmten Leben befähigt.

Barrierefreie Mobilität wird möglich, wenn auf allen Ebenen – der öffentlichen Verwaltung vor allem aber auch im privaten Sektor – von Beginn an ganzheitlich an Wegeführungen gearbeitet wird, die allen Menschen das Erreichen individueller Ziele ermöglicht. Dazu gehören z. B. durchgängige Blindenleitstreifen, ausreichend verfügbare und nutzbare Bordsteinabsenkungen, barrierefreie Fahrkartenautomaten, barrierefreie Toiletten und „Toiletten für ALLE“ (https://www.toiletten-fuer-alle.de/) oder auch rollstuhlgerechte PKW-Parkplätze. Bei Bauvorhaben muss die Barrierefreiheit von Beginn an mitgedacht, zwingend mitgeplant und nicht durch Denkmalschutz ausgehebelt werden. Barrierefreiheit braucht dieselbe Priorität wie Brandschutz.

Entscheidend ist hier ein umfassendes Verständnis von Barrierefreiheit, welches nicht nur die physische Umwelt, sondern auch Einrichtungen und Dienste der Information und Kommunikation einbezieht.

Besonders prekär stellt sich derzeit auch der Bedarf an Gebärdendolmetschenden dar. Aufgrund eines Mangels an ausgebildeten Dolmetscher*innen kommt die politische Arbeit zu kurz und der reale Bedarf (Arbeitsgespräche, Arztbesuche etc.) kann längst nicht mehr zufriedenstellend abgedeckt werden. Zur Sicherung politischer Teilhabe müssen Parteiprogramme der Kommunal- und Landtagswahlen verpflichtend in Gebärdensprache übersetzt werden. Ebenso müssen Gebärdensprachdolmetschende bei Wahlveranstaltungen standardmäßig zum Einsatz kommen.

Auch der Einsatz von Leichter Sprache, Audiodeskription und Untertitelung ist völlig unzureichend. Das erschwert oder verhindert Menschen mit Behinderungen, die auf diese Art der Kommunikation angewiesen sind, die Teilhabe am kulturellen und politischen Leben. Bestehende Gesetze müssen umgesetzt und auf private Anbieter*innen erweitert werden.

Die gesundheitliche Regelversorgung von Menschen mit Behinderungen und chronischen Erkrankungen ist durch fehlende barrierefreie Praxen oft nicht gewährleistet. Besonders problematisch ist der Mangel an gynäkologischen und zahnärztlichen Praxen, die über geeignete Behandlungsstühle und eine rollstuhlgerechte Toilette verfügen. Auch hier muss für Anreize gesorgt werden, damit Ärzt*innen in Sachsen ein flächendeckendes Netz an barrierefreien Praxen umsetzen können.

Ein Grundleitsatz der UN-BRK ist die Einbeziehung der Betroffenen. Unter anderem in Artikel vier wird betont, dass die Organisationen der Selbstvertretenden bei Ausarbeitung und Umsetzung von Rechtsvorschriften aktiv einbezogen werden müssen. Der UN-Fachausschuss kritisierte bei der letzten Staatenprüfung im August 2023, dass Vereinigungen von Menschen mit Behinderungen in Deutschland weder systematisch noch institutionalisiert in alle sie betreffenden Prozesse einbezogen werden. Rein ehrenamtlich, wie z.B. im Landesbeirat für Inklusion, ist die oft sehr juristische Arbeit nicht zu bewerkstelligen. Daher braucht es an den richtigen Stellen entsprechende finanzielle und personelle Ressourcen, die möglichst unbürokratisch zu beantragen sind. Nur so kann Regierungsarbeit auf Länderebene kritisch begleitet werden. Dafür empfiehlt sich u. a. auch eine Monitoring-Stelle UN-BRK, analog der Monitoring-Stelle auf Bundesebene, so wie es sie bereits in anderen Bundesländern gibt und ebenfalls vom UN-Fachausschuss gefordert wird.

Einige genannte Forderungen und Probleme finden auf Landesebene bereits Beachtung. Durch die fehlende Verpflichtung für die kommunale Ebene erzielen viele Vorschriften jedoch keine oder wenig Wirkung. Im Ergebnis des Vergleichs der Monitoring-Stelle UN-BRK ist Sachsen das einzige Bundesland, welches die kommunale Ebene nicht in den Geltungsbereich des Behindertengleichstellungsrechts einbezieht.

Die in § 1 genannten Institutionen und Einrichtungen kommunaler Ebene sollten alle an das Sächsische Inklusionsgesetz (SächsInklG) gebunden sein. Besonders sollten die in § 1 Absatz 2 Satz 3 und 4 genannten Behörden und Einrichtungen, anders als bisher, ebenfalls in das SächsInklG eingebunden werden. Diese einheitliche Regelung schafft zusätzlich Barrierefreiheit, denn für den*die Bürger*in ist nicht immer transparent, ob eine Behörde oder Einrichtung dem Land oder einer Kommune angehörig ist bzw. inwieweit Beteiligungen bestehen. Behindertenbeauftragte und -beiräte müssen auch in den Landkreisen Kommunen festgeschrieben und mit ausreichenden Mitteln ausgestattet werden.

Selbstbestimmt Wohnen und Leben

In Sachsen fehlt barrierefreier und bezahlbarer Wohnraum, vor allem in den Ballungszentren. Auch Angebote für Familien, das heißt Drei- bis Vier-Raum-Wohnungen, sind knapp. Dem muss dem entgegengewirkt werden. Das kann zum Beispiel durch Ausweitung / Anpassung von Förderprogrammen für mietpreisgebundenen und barrierefreien Wohnraum geschehen.

Des Weiteren braucht es Maßnahmen auf Landesebene, die es vereinfachen einen Wohnberechtigungsschein auch für Wohngemeinschaften zu ermöglichen, ohne dass ein Verwandtschafts- oder Partnerschaftsverhältnis vorliegt.

In der Pflege gilt der Grundsatz ambulant vor stationär. Damit verfügen die Betroffenen auch über ein Wunsch- und Wahlrecht ihrer Wohnform (zum Beispiel eigene Wohnung, Wohngruppe oder Heim). Gleichzeitig steht ihnen die Wahl der Form der Unterstützung frei (zum Beispiel Leistungen eines Pflegedienstes, Nachbarschaftshilfe oder persönliches Budget). Menschen mit Assistenzbedarf werden seitens der Leistungsträger allerdings immer wieder unter Druck gesetzt, die jeweils kostengünstigste Form zu wählen. Der Wechsel aus einem Heim in ein selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung und mit persönlicher Assistenz ist daher die Ausnahme, während der Wechsel ins Heim begünstigt und teilweise sogar erzwungen wird.

Menschen mit Assistenzbedarf haben jedoch ein Recht darauf, sich frei zu entscheiden, wo, mit wem und mit welcher Unterstützung sie leben möchten. Dieses Recht muss gemäß UN-BRK umfassend ermöglicht und umgesetzt werden. Ebenso wichtig ist dabei auch die Einführung einer einheitlichen Tarifregelung für Assistent*innen angelehnt an den TVöD, um den Personalmangel in diesem Berufsfeld zu begegnen.

Inklusiver Arbeitsmarkt

In Artikel 27 fordert die UN-BRK die Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit in einem offenen, inklusiven und zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld. Dabei steht vor allem die freie Wahl ohne jegliche Diskriminierung aufgrund der Behinderung im Vordergrund. Mit der Ratifizierung des Übereinkommens verpflichtet sich die Bundesrepublik Deutschland und somit auch der Freistaat Sachsen zu einer Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Sektor. Gleichfalls soll die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor durch geeignete Strategien und Maßnahmen gefördert werden.

In der Werkstattdebatte geht es nicht darum, die Werkstätten für behinderte Menschen (WfbM) von heute auf morgen abzuschaffen. Jedoch hat Deutschland die UN-BRK ratifiziert und sich damit verpflichtet, allen Menschen das Recht auf eine freie Wahl des Arbeitsplatzes in einem für alle zugänglichen Arbeitsmarkt zu ermöglichen sowie das gleiche Entgelt für gleichwertige Arbeit sicherzustellen. Damit ist das System der WfbM nicht mit der UN-BRK zu vereinbaren.

Wir fordern daher, vorhandene Instrumente wie unterstützte Beschäftigung und das Budget für Arbeit stärker zu nutzen und Unternehmen hinreichend zu sensibilisieren. Inklusionsfirmen und „Andere Anbieter“ (zum Beispiel im Bereich Kunst, Kultur und Politik) müssen unterstützt und Menschen, die in WfbM arbeiten, der Wechsel auf den ersten Arbeitsmarkt erleichtert werden.

Inklusive Bildung

Die UN-BRK fordert in Artikel 24 die Anerkennung des Rechts von Menschen mit Behinderungen auf Bildung ohne Diskriminierung und auf der Grundlage von Chancengleichheit. Um dieses Recht zu verwirklichen, bedarf es eines inklusiv Bildungssystems auf allen Ebenen, einschließlich des gleichberechtigten Zugangs zu allgemeiner Hochschulbildung, Berufsausbildung, Erwachsenenbildung und lebenslangem Lernen. Ziel ist die Teilhabe statt einer gesellschaftlichen und institutionellen Ausgrenzung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Behinderungen.

In seinen abschließenden Bemerkungen vom 3. Oktober 2023 äußerte der UN-Fachausschuss deutliche Kritik am segregierenden Schulsystem Deutschlands. Konkret forderte er unter anderem einen umfassenden Plan, um den Übergang von Sonderschulen hin zu einem inklusiven Schulsystem zu beschleunigen, angemessene Regelungen zur Beförderung der Schüler, vor allem im ländlichen Raum, kontinuierliche Weiterbildungen zur inklusiven Bildung für Lehrkräfte und Schulpersonal, sowie ein Monitoring-System einzuführen, um Diskriminierung von Kindern mit Behinderungen und ihren Familien zu verhindern.

Das ZsL Sachsen und die LAG SH Sachsen und die AG Selbstvertretung fordern daher, dass die Landesregierung den Empfehlungen des UN-Ausschusses folgt und das Förderschulsystem zurück- statt ausbaut. Ferner halten wir eine umfassende Evaluation der Förderschulen und ihre Wirkkraft für angebracht. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, dass mit dem Besuch einer Förderschule der weitere Weg eines Menschen mit Behinderung oft schon vorgezeichnet ist: Auf die separierte Beschulung folgt die Sonderwelt der Werkstätten für behinderte Menschen, eine weitere Institution, bei der aus Sicht der UN-BRK deren Menschenrechtskonformität angezweifelt wird. 

Um eine inklusive Bildung sicherzustellen, müssen Regelschulen umfassend ausgestattet undLehrkräfte besser aus- und weitergebildet werden. Sonderpädagogen müssen auch in Schulformen außerhalb der Förderschulen zum Einsatz kommen. Gefragt ist eine geplante Überführung der Ressourcen und Kompetenzen in gemeinsame Schulen statt des Festhaltens an der Doppelstruktur der Förder- und Regelschulen.

In Bezug auf die Beschulung gehörloser Kinder in sächsischen Förderzentren muss eine gesetzliche Grundlage für den Anspruch auf Beschulung in Gebärdensprache geschaffen werden. Bisher müssen sich Eltern für schuljahresbezogene regionale Einzelentscheidungen durch Antragsverfahren und sogar Klageverfahren kämpfen, damit ihre Kinder Unterricht in Gebärdensprache (ggf. mit Gebärdensprachdolmetschern) erhalten. Hier braucht es dringend eine verbindliche Regelung per Gesetz oder Verordnung. Dies beinhaltet auch einen kontinuierlichen Ausbau der DGS-Kompetenz von Lehrkräften in Förderzentren durch adäquate Weiterbildungsangebote und entsprechende Wissensstandermittlungen.

Als Folge des Einsatzes der Eltern werden zurzeit vermehrt Gebärdensprachdolmetscher im Unterricht eingesetzt, um das Kommunikationsdefizit auszugleichen. Ein erhebliches Folgeproblem des nötigen Einsatzes von Dolmetschern im Schulbereich ist die Schmälerung verfügbarer Dolmetscher für andere Bereiche. Seit Monaten erlebt die Gehörlosengemeinschaft dadurch eine Mangellage, dringende Dolmetscheranfragen für anderweitige Termine gehörloser Sachsen können nicht mit Gebärdensprachdolmetschern besetzt werden.

Inklusive Hochschulbildung

Mit der Novellierung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetzes am 31. Mai 2023 wurden hier in Sachsen erstmals die Beauftragten für Studierende mit chronischer Erkrankung und Behinderung im Gesetz verankert. Alles Weitere soll die Grundordnung der Hochschulen regeln (§ 56 Abs. 8 SächsHSG). Bis heute haben noch nicht alle sächsischen Hochschulen die Beauftragten in der Grundordnung verankert.

Daher fordern das ZsL Sachsen und die LAG SH Sachsen zusammen mit der Konferenz der sächsischen Studierendenschaften hiermit alle sächsischen Hochschulen, die das noch nicht gemacht haben, auf, dies umgehend nachzuholen.

In diesem Zusammenhang verweisen wir auch nochmals darauf, dass die Beauftragten in einem Rahmen von ihren Lehrtätigkeiten entlastet und z.B. bei ihrer Arbeit von weiteren Mitarbeitenden unterstützt werden sollen, der ihrem tatsächlichen Aufwand entspricht. Des Weiteren sollen Hochschulen dafür Sorge tragen, dass die Beauftragten genügend (Weiter-)bildungs- und Vernetzungsmöglichkeiten wahrnehmen können.

Da etwa jeder 6. Studierende eine studienerschwerende Beeinträchtigung hat und die Studienabbruchintention bei Studierenden mit gesundheitlicher Beeinträchtigung um 5,1 Prozentpunkte höher ist als bei Studierenden ohne gesundheitliche Beeinträchtigung [1], fordern wir insbesondere große Hochschulen dazu auf, auch zwei oder mehr gleichberechtigte Beauftragte zu ermöglichen. Damit soll sichergestellt werden, dass sich um alle Belange der Studierenden im umfangreichen Maße gekümmert werden kann.

Für die Umsetzung von Inklusion an Hochschulen ist auch der Rückhalt von der obersten Leitungsebene der Hochschulen notwendig. An der TU Dresden gibt es z.B. die Prorektorin für Universitätskultur, die sich explizit dem Thema annimmt und ein Blick auf dessen Umsetzung hat und den Beirat Inklusion, der unter anderem zusammen mit den Beauftragten den Senat zum Thema Inklusion berät. Wir fordern alle weiteren sächsischen Hochschulen, die noch kein ähnliches Konzept haben, auf, dies ebenfalls zu etablieren.

Für die Umsetzung der hochschulinternen Inklusions-Aktionspläne vergibt das SMWK jährlich die Sondermittel für Inklusion. Diese werden den Hochschulen meist am Ende des ersten Quartals/Anfang des zweiten Quartals zugesagt. Außerdem können mit den Inklusionsgeldern keine Investitionen und inklusiven Baumaßnahmen realisiert werden.

Wir fordern das SMWK auf, die Sondermittel Inklusion zu einem früheren Zeitpunkt zuzusagen, damit Hochschulen inklusive Projekte besser planen können und den Einsatzrahmen der Mittel auch auf Bauunterhalte, die Inklusion fördern oder Barrierefreiheit ermöglichen, auszuweiten.

Sächsische Hochschulen weisen einen Mangel an Barrierefreiheit auf. Dies schließt insbesondere die Zugänglichkeiten zu Hörsälen und Seminarräumen ein, aber auch das Vorhandensein von barrierefreien Arbeitsplätzen. Darüber hinaus besitzt nicht jeder Hörsaal eine induktive Hörschleife und zudem gibt es auch einen Mangel an Leitsystemen, taktilen Karten, usw., für sehbehinderte und blinde Studierende.

Daher fordern wir die Hochschulen auf, proaktiv nach Barrieren an den Hochschulen zu suchen, sie zu beheben und weitere Barrieren zu vermeiden. Des Weiteren fordern wir das SIB beim Neubau von Hochschulgebäuden auf, Inklusion nicht nur als Sparmaßnahme anzusehen und zusammen mit den Hochschulen wirkliche Barrierefreiheitsanforderungen vollumfänglich umzusetzen.

[1] best3 – Studieren mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung-Studie aus dem Jahr 2023 und umfasst mehr als nur behinderte Studierende. Kurzforderung: Stärkung der Beauftragten für Studierende mit chronischer Erkrankung und Behinderung.

Unsere Forderungen zusammengefasst:

  1. Eine durchgängige Barrierefreiheit ist ein Menschenrecht und die Grundlage für die Teilhabe aller Menschen. Auch private Anbieter*innen von Waren und Dienstleistungen müssen zu Barrierefreiheit verpflichtet werden.
  2. Das Leben findet in der Kommune statt. Sächsisches Behindertengleichstellungsrecht muss auch die kommunale Ebene einbeziehen. So zum Beispiel im Sächsischen Inklusionsgesetz und im Sächsischen Baurecht.
  3. Es braucht „Toiletten für ALLE“ auch in Sachsen.
  4. Gebärdensprachdolmetschung, Leichte Sprache, Untertitelung und Audiodeskription müssen in allen Bereichen der Kommunikation und der Medien selbstverständlich zum Einsatz kommen.
  5. Mit angepassten und wirksamen Förderprogrammen muss mehr barrierefreier und bezahlbarer Wohnraum geschaffen und fehlender Barrierefreiheit im Gesundheitswesen entgegengewirkt werden.
  6. Kinder mit Behinderungen haben ein Recht auf inklusive Bildung. Das trennende Förderschulsystem muss entsprechend der Forderungen des UN-Fachausschusses zurückgebaut werden.
  7. Menschen mit Behinderungen haben ein Recht auf Arbeit in einem offenen, inklusiven und zugänglichen Arbeitsmarkt. Die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen muss durch geeignete Strategien, Maßnahmen und Instrumente (zum Beispiel Unterstützte Beschäftigung und Budget für Arbeit) gefördert werden. Wir brauchen mehr barrierefreie Arbeitsplätze.
  8. Menschen mit Assistenzbedarf haben ein Recht darauf, sich frei zu entscheiden, wo, mit wem und mit welcher Unterstützung sie leben wollen. Druck seitens der Leistungsträger, sich für die kostengünstigste Form zu entscheiden, ist menschenrechtswidrig. Eine einheitliche Tarifreglung angelehnt an TVöD für Assistent*innen würde dem Arbeitskräftemangel in diesem Bereich entgegenwirken.
  9. Selbstvertreter*innen und ihre Organisationen müssen systematisch und anhand festgelegter Standards in alle Prozesse, die Menschen mit Behinderungen betreffen, einbezogen und angemessen mit Ressourcen ausgestattet werden. Eine gute und kritische Begleitung der Regierungsarbeit auf Landesebene durch Selbstvertreter*innen ist ehrenamtlich nicht möglich.
  10. Zwangsbehandlung und Freiheitsentzug in Pflege und Eingliederungshilfeeinrichtungen sowie in psychiatrischen und forensischen Institutionen ist menschenrechtswidrig und muss durch Alternativen ersetzt werden.

Unsere Forderungen zusammengefasst in Leichter Sprache:

  1. Barriere∙freiheit ist ein Menschenrecht.Barriere∙freiheit heißt: alle Menschen können alles benutzen. Es gibt keine Hindernisse. Zum Beispiel: Für blinde Menschen wird eine Internetseite vorgelesen. Oder eine Person im Rollstuhl kann gut in ein Haus hinein∙kommen weil es eine Rampe gibt.

    Wir fordern: Alle Firmen müssen zu Barrierefreiheit verpflichtet werden. Zum Beispiel auch Supermärkte, Friseure oder Restaurants.
  2. Es gibt ein gutes Gesetz für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung – das Sächsisches Behinderten∙gleichstellungs∙gesetz. Dieses Gesetz gilt für das ganze Bundesland Sachen. Wir fordern: dieses Gesetz muss auch in den Städten, in den Gemeinden und in den Dörfern wirklich benutzt werden. Dafür müssen andere Gesetze umgeschrieben werden. Zum Beispiel: die Gesetze zum Bauen. 
  3. Es braucht „Toiletten für ALLE“ auch in Sachsen.
  4. Gebärdensprach∙übersetzung, Leichte Sprache, Untertitel und die Bildbeschreibung für blinde Menschen müssen überall zum Einsatz kommen. Das muss selbstverständlich werden. Ganz besonders wichtig ist das in den Medien. Zum Beispiel: beim Fernsehen in den Nachrichten oder bei Filmen.
  5. Es gibt zu wenige Wohnungen die barrierefrei und günstig sind. Es gibt auch zu wenige Arztpraxen und Physiotherapien die barrierefrei sind. Auch in Krankenhäusern ist es oft nicht gut für Menschen mit Behinderung zum Beispiel, weil das Pflege∙personal nicht genug Zeit hat.

    Wir fordern: Der Staat soll dafür Geld geben, dass sich die Barriere∙freiheit in diesen Bereichen verbessert.
  6. Alle Kinder, egal ob mit oder ohne Behinderung, sollen gemeinsam auf eine Schule gehen. Das heißt: inklusive Schule. Das ist ein Menschenrecht.

    Wir fordern: Es muss mehr inklusive Schulen geben und weniger Förderschulen in Sachen geben.
  7. Menschen mit Behinderung sollen ihren Job frei wählen können. Das ist ein Menschenrecht. Damit das geht, muss sich unsere Arbeitswelt verändern.

    Wir fordern: Die Politik muss sich einen Plan und genaue Schritte überlegen, wie man das erreichen kann. Außerdem muss es mehr barrierefreie Arbeitsplätze geben.
  8. Einige Menschen mit Behinderung brauchen Assistenz. Das heißt sie brauchen eine Unterstützungs∙person. Manchmal nur für ein paar Stunden am Tag. Manchmal den ganzen Tag, also 24 Stunden. Ein Kostenträger muss die Assistenz bezahlen.
    Menschen mit Behinderung, die eine Assistenz brauchen, sollen sich frei entscheiden wer die Unterstützungs∙person ist. Sie sollen sich auch frei entscheiden wo sie leben möchten. Und wieviel Assistenz sie haben möchten. Das ist ein Menschenrecht.

    Die Kostenträger setzen die Menschen, die Assistenz brauchen, oft unter Druck und behandeln sie schlecht. Das ist gegen die Menschenrechte.

    Wir fordern: Die Kostenträger sollen aufhören die Menschen, die Assistenz brauchen, unter Druck zu setzen. Die Kostenträger sollen die Unterstützungs∙personen fair bezahlen. Dann gibt es auch mehr Unterstützungs∙personen die den Job machen wollen.
  9. Menschen mit Behinderung werden nur selten gefragt bei politischen Entscheidungen. Wenn sie gefragt werden, sollen sie alles ehrenamtlich machen. Das heißt sie bekommen kein Geld dafür. Das ist schlecht.

    Wir fordern: Menschen mit Behinderung müssen bei allen Entscheidungen und Angelegenheiten die sie selber betreffen, beteiligt werden. Diese Beteiligung muss gut bezahlt werden. Die Beteiligung muss von Menschen die sich mit dem Thema auskennen gut unterstützt werden.
  10. Es gibt in Krankenhäusern, in der Psychiatrie, in Pflegeheimen und in Wohnheimen manchmal Zwangs∙behandlungen und Freiheits∙entzug. Das heißt: Menschen werden gegen ihren Willen ärztlich behandelt. Zum Beispiel wenn Sie zu aufgeregt sind. Oder wenn sie nicht im Krankenhaus bleiben wollen. Zum Beispiel werden ihnen Tabletten gegeben damit sie ruhig sind. Oder die Arme und Beine werden am Bett fest∙gebunden damit sie nicht weglaufen können.

    Wir fordern: Das muss aufhören. Es muss andere Möglichkeiten geben.

Kontakt

Zentrum Selbstbestimmt Leben in Sachsen:

info@zsl-sachsen.de

Landesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe Sachsen e.V.:

Info@lag-selbsthilfe-sachsen.de